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Untersuchungen zur Trennwirkung von Feldwegen verschiedener Ausbaustandards auf Feldcarabiden

 

6 Diskussion

6.2 Zur Trennwirkung von Feldwegen auf die Carabidenfauna

6.2.2 Untersuchungsergebnisse

6.2.2.3 Bewertung der Mobilitätsdiagramme

Mit Hilfe der Mobilitätsdiagramme sollte geklärt werden, welchen Einfluß die Oberflächenstruktur eines Feldweges auf Orientierung und Laufverhalten der Carabiden hat. Außerdem war zu klären, ob nachtaktive Arten (exemplarisch Carabus nemoralis) unter den mikroklimatisch gemäßigten Bedingungen der Nacht den Weg leichter überqueren, als tagaktive Arten (exemplarisch Poecilus versicolor) am Tage, die dann häufig eine hohe mikroklimatische Schwelle überwinden müssen. Aus der Zahl der direkt dem nächsten Wegrand zugelaufenen Versuchsexemplare wurden in Tabelle 17 die unterschiedlichen Barriereeffekte der fünf Wegabschnitte quantitativ miteinander verglichen.

Aus dem Vergleich des nachtaktiven C. nemoralis mit dem tagaktiven Poe. versicolor läßt sich folgern, daß Feldwege auch bei starker Insolation von entsprechend angepaßten Arten überwunden werden können.

Mit Hilfe der Mobilitätsdiagramme lassen sich im Gegensatz zu den Markierungs-Wiederfangversuchen Unterschiede zwischen den einzelnen Wegabschnitten feststellen. Diese Unterschiede sind jedoch keineswegs alleine auf die unterschiedlichen Trennwirkungen der verschiedenen Ausbauvarianten zurückzuführen. Die auf dem Feldweg freigesetzten Carabiden versuchen sich vielmehr einer aufgezwungenen und unliebsamen Situation zu entziehen. Die Mobilitätsdiagramme sind daher in hohem Maße von Flucht und Verberge-Orientierung, also kurz­fristig wirkenden Verhaltensmechanismen geprägt. Im Feldrain freigesetzte Laufkäfer (mark-recapture-Versuche) entscheiden sich dagegen aufgrund längerfristig wirkender exogener Faktoren für oder gegen eine Wegüberquerung. Es darf somit nicht wundern, wenn sich bei Betrachtung der Laufstrecken deutliche Unterschiede zwischen den Ausbautypen zeigen, bei den Markierungs-Wiederfangversuchen aber keine Unterschiede in der Trennwirkung erkennbar werden.

Die auf dem Feldweg freigesetzten Poe. versicolor überquerten den Weg am heißen Sommernachmittag auffallend rechtwinklig zur Wegrichtung - und im Vergleich zur Freilassung am Abend sehr zügig (Oberflächentemperaturen der Wegbeläge s. Tab. 2 ). Diese Beobachtungen decken sich mit Beschreibungen von GORDON (1974) über das Überquerungsverhalten einer Reihe von Bodenarthropoden an Highways im Süden der USA - "straigth as an arrow" ist seine Beschreibung hierfür. Die rechtwinklige Überquerung der Highways und schmälerer Straßen war bei seinen Beobachtungen immer unabhängig von der Himmelsrichtung.

Viele Arthropoden sind zwar ausgesprochen lichtscheu, doch für dieses Verhalten sind vor allem hohe Temperaturen und extreme Trockenheit über Straßen- bzw. Wegoberflächen verantwortlich und der damit einhergehenden Gefahr der schnellen Überhitzung und Austrocknung. Bei den Mobilitätsdiagrammen am heißen Sommernachmittag löst jedoch negative Phototaxis bei Poecilus versicolor doppelt so viele Wegüberquerungen in nördlicher Richtung (von der Sonne weg) aus, als umgekehrt (s. Mobilitätsdiagramme , Abb. 35 und Abb. 37). Zudem orientierten sich auf der Südseite der drei strukturlosen Wegabschnitte Asphalt, Drainbeton und Verbundpflaster insgesamt nur sechs der Versuchstiere direkt zum nahen Wegrand (der Sonne entgegen), auf der Nordseite (von der Sonne weg) dagegen 15 Laufkäfer.

Bei den Freisetzungen am Abend zeigte Poe. versicolor ein anderes Verhalten als am heißen Nachmittag. Die Verberge-Orientierung war viel geringer ausgeprägt. Individuen liefen auf dem Weg entlang oder blieben sogar mitten auf dem Asphalt sitzen (s. Mobilitätsdiagramme , Abb. 39).

Mit Hilfe welcher Mechanismen orientieren sich Carabiden?

Nach BATHON (1973) sprechen die rezeptiven Felder in den Komplexaugen epigäischer Insekten auf ungegliederte schwarze Flächen optimal an. Das Empfindlichkeitsmaximum liegt einige Grade oberhalb des Augenhorizonts, weshalb sie sich an dunklen Horizont-Silhouetten (z.B. Waldrändern oder Wegrainen) orientieren. Sie gelangen so an die kühl-feuchteste und zumeist auch sicherste Stelle der Umgebung.

Bei Carabiden beeinflussen Berührungsreize die eingeschlagene Richtung stark. Das zeigen die Mobilitätsdiagramme der Schottervariante. Der Mittelstreifen des Weges war hier nur schütter bewachsen, weshalb der gegenüberliegende Wegrain mit Sicherheit den attraktiveren Horizont bildete. Aber mit dem Erreichen der ersten Pflänzchen am Mittelstreifen bewegten sich viele Carabiden langsamer oder blieben sogar sitzen. Bei einigen Laufkäfern wurde an dieser Linie sogar eine Richtungsänderung ausgelöst. Aufgrund der nicht sehr hohen Auflösung des Carabiden-Komplexauges stellt sich der Mittelstreifen trotz schütteren Bewuchses wohl als geschlossene Silhouette dar, welche direkt vor der Bewuchsgrenze höher ist als die der Feldraine.

Unter Einbeziehung des Verhaltens an Leitelementen ist zu vermuten, daß dunkle Silhouetten die Laufrichtung vorgeben - gerade auch nachtaktive Carabiden können solche Silhouetten erkennen - Berührungsreize aber zum Teil stark modifizierend auf die eingeschlagene Richtung wirken.

Wenn auch wegen der ausgeprägten Verberge-Orientierung auf dem Weg freigesetzter Carabiden die Mobilitätsdiagramme im Hinblick auf die Trennwirkung des Feldweges nicht zu hoch bewertet werden dürfen, so zeigen sie doch, daß versiegelnde Oberflächen (Asphalt, Drainbeton, Verbundpflaster) wegen fehlender Strukturen als Lebensraum nicht in Frage kommen und diesbezüglich ein deutlicher Unterschied besteht zu naturnahen Wegen (Schotter, Rasenstein), wo sich die Käfer auch länger aufhalten (beachte die Punkte innerhalb und am Ende der einzelnen Laufstrecken; Erklärung in Abschnitt 5.2 ).

 

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