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Untersuchungen zur Trennwirkung von Feldwegen verschiedener Ausbaustandards auf Feldcarabiden

 

6 Diskussion

6.1 Methodenkritik

Wegen der zahlreichen und oft unvorhersehbaren Schwierigkeiten bei der Durchführung der Untersuchung sollen die angewendeten Methoden in diesem Kapitel gesondert diskutiert werden.

 

6.1.1 Markierungsmethode

Die Ortsveränderungen von Mitgliedern einer Tierpopulation innerhalb ihres Lebensraumes lassen sich am einfachsten durch Markierung und Wiederfang zuvor gefangener Individuen ermitteln ("mark-recapture"). Erfaßt wird der Abstand zwischen dem Ort der Freisetzung eines markierten Individuums und dem Ort seines Wiederfangs. Die tatsächliche Laufstrecke eines Carabiden wird im allgemeinen ein Vielfaches dieses Abstandes betragen, weil Abweichungen von der direkten Linie, z.B. bei der Nahrungs- oder Partnersuche, nicht erkannt werden können.

Verschiedene Markierungstechniken sind gebräuchlich. Das Beschneiden einer Flügeldeckenspitze wurde früher bei nicht zu kleinen Carabidenarten angewendet - z.B. SKUHRAVY (1956).

Farbmarkierungen zeichnen sich durch gute Sichtbarkeit aus. Auch die Handhabung ist einfach - besonders bei Verwendung feiner Lackstifte, wie etwa den von WELLING (1990) benutzten "Opak 780" und "Opak 751" der Firma EDDING. Bei Verwendung einer Nadel zum Applizieren der Farbe können auch kleine Carabiden (z.B. Bembidien) markiert werden. WALLIN (1986) benutzte Schreibmaschinen-Korrekturflüssigkeit verschiedener Farben zur Kennzeichnung.

Mit dem Themokauter werden, ohne Carabiden zu beschädigen, kleinste Vertiefungen bzw. Löcher in die Kutikula der Elytren geschmolzen; Zahl und Anordnung erlauben eine individuelle Numerierung von etwa 1000 Tieren nach zwei verschiedenen Punktsystemen mit 3 bzw. 10 Markierungsstellen (MÜHLENBERG 1993). Die Markierung muß unter dem Binokular ausgeführt werden und ist entsprechend aufwendig. MADER (1979) markierte während seiner Untersuchungen Carabidenarten von mindestens 10 mm Körperlänge direkt im Freiland mit Hilfe eines Batteriekauters. Er brachte am Pronotumrand und am Außenrand der Elytren an einer von mehreren vorgesehenen Stellen einen oberflächlichen Brennpunkt an.

Eine neue Mehode zur individuellen Verfolgung von Carabiden ist das "Radar-Tracing" (MASCANZONI & WALLIN 1986, MÜHLENBERG 1993). Ein am Käfer (mind. 18 mm Körperlänge) angebrachter Reflektor (Schottky-Diode) kann mit Hilfe eines Radargerätes aus fünf bis sechs Metern Entfernung geortet werden.

Für die vorliegende Untersuchung wählte ich zunächst die Markierung des Halsschildes der Carabiden mit Hilfe eines Lackstiftes, weil sie einfach erschien und von WELLING (1990) erfolgreich angewendet wurde. Die Haltbarkeit der Farbmarkierungen war jedoch im Gegensatz zu seinen Untersuchungen völlig unzureichend (Abschn. 5.1.1) . Hierfür können mehrere Gründe angeführt werden:

  1. Während die Wiederfänge jeder Falle mitsamt den Erstfängen, sowie der Holz- und Rindenstückchen aus den Fangbechern bis zu ihrer Auswertung in Plastikschalen bei 4° C aufbewahrt wurden, haben einige dieser Carabiden ihre Markierung zwischen den locker gelagerten und befeuchteten Substratteilchen verloren. Zwar fanden sich beim Auslesen der Käfer aus den Fallen nur einige Male abgelöste Farbpunkte, doch läßt sich wegen deren geringen Größe und damit der hohen Wahrscheinlichkeit, daß sie gar nicht gesehen wurden, das wahre Ausmaß des Markierungsverlustes nicht abschätzen.

  2. Vor dem 06.07. betrug das Intervall zwischen Freisetzung und anschließender Leerung bis zu 16 Tage und war damit entscheidend länger als bei WELLING (1990). Nach der Freilassung der mit roter Farbe markierten Carabiden am 06.07. betrug der Zeitraum bis zur Leerung (10.07.) nur 4 Tage und war damit vergleichbar mit den Intervallen bei WELLING. Trotzdem war die Verlustrate an Halschildmarkierungen sehr hoch.

  3. Möglicherweise könnte auch eine Änderung der Rezepur zur Lackherstellung seitens der Firma "Edding" zu einer geringeren Haftung auf der Kutikula geführt haben.

  4. Markierungsverluste als Folge von aus den Fangbechern flüchtenden Carabiden - besonders nach heftigen Regenfällen - können nicht ausgeschlossen werden. Aber auch WELLINGs Untersuchung wäre davon betroffen, weil er bewußt auf eine Fallenabdeckung verzichtete.

  5. WELLING testete die Haltbarkeit verschiedener Markierungssubstanzen "unter simulierten Freilandbedingungen" außschließlich auf dem Halsschild von Platynus dorsalis. Mit dem Lackstift "Edding Opak 751" markierte Carabiden "hatten auch nach 27 Tagen ihre Kennzeichnung noch kaum eingebüßt". Bei seinen Vergleichstests unterschieden sich die verschiedenen Farben dieser Marke in ihrer Haltbarkeit nicht. Es liegt jedoch nahe, daß die "simulierten Freilandbedingungen" in WELLINGs Test zur Haltbarkeit verschiedener Markierungssubstanzen nicht die wirklichen Bedingungen im Freiland repräsentiert haben.

    Bei meinem Test zur Haltbarkeit der Farbmarkierung zeigte sich dagegen, daß eine Applikation der Farbe alleine auf das Pronotum der Carabiden bei den einzelnen Arten zu unterschiedlichen und oft außerordentlich hohen Markierungsverlusten führt (s. Tab. 5 und Tab. 6 ). Verantwortlich hierfür sind sicherlich die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen der Kutikula sowie das Vorkommen bestimmter Mikroreliefs bei den verschiedenen Arten. Besonders Harpalus rufipes, Pterostichus melanarius und Poecilus cupreus müßten auch während der Untersuchungen von WELLING (1990) häufig Halsschild-Markierungen verloren haben und im Vergleich zu anderen Arten verminderte Wiederfangquoten zeigen (Tab. 19) . Die Wiederfangquote einer Art wird jedoch nicht nur von der Haltbarkeit der Markierung, sondern außerdem von weiteren Faktoren bestimmt: von der Fangeffektivität der Fallen, von der Entfernung der Freilassungsstelle zu den Fallen, von der Anzahl der Fallen und dem Abstand zwischen ihnen, von klimatischen Bedingungen, welche die Aktivität der Laufkäfer beeinflussen, vom Fangzeitraum, der die Entwicklung der Population und den physiologischen Zustand der einzelnen Tiere bestimmt (z.B. hohe Mortalität nach der Fortpflanzungsperiode).

 

MADER (1979) erprobte die Haltbarkeit von Farbmarkierungen mit Schellack sowie Plaka-Farben und hält sie für unbrauchbar, weil sie binnen weniger Tage verloren gehen. WELLING (1990) kommt für Schellack und Plaka-Farben zum gleichen Ergebnis, doch die noch relativ neu auf dem Markt befindlichen Lackstifte erzielten in seinen Haltbarkeitstests gute Ergebnisse. Nach meiner Erfahrung ist von der Verwendung dieser Lackstifte jedoch abzuraten.

Mit Hilfe der Thermokauter-Methode eingebrannte Punkte sind zwar weniger leicht zu erkennen als Farbmarkierungen, sie halten dafür aber ein ganzes Käferleben lang. Die Flügeldecken der Carabiden eignen sich zum Einbrennen der Punkte sehr gut, weil hier keine Muskulatur ansetzt, die beschädigt werden könnte und der Hinterleib durch einen mehr oder weniger flachen lufterfüllten Raum von den ihn bedeckenden Elytren getrennt ist.

Weil in der vorliegenden Untersuchung auf die beiden hinteren Markierungsstellen verzichtet werden mußte (s. Abschnitt 4.1.3 ), können ab der dritten Freilassung nach dem Wechsel zur Thermokauter-Markierung die Wiederfänge nicht mehr eindeutig einem bestimmten Freisetzungstermin zugeordnet werden (s. hierzu auch Tab. 5 , olivgrüner Kasten und Erklärung dort im Text). Nach den bisherigen Erfahrungen war davon auszugehen, daß nur bei wenigen Wiederfängen der Freisetzungstermin falsch entschlüsselt werden würde, da sich die meisten Carabiden schon in den ersten Tagen nach einer Freilassung wiederfingen.

 

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