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Untersuchungen zur Trennwirkung von Feldwegen verschiedener Ausbaustandards auf Feldcarabiden

 

3 Zur Biologie der untersuchten Arten

Die Familie der Carabiden ist in ihrer morphologischen Grundstruktur sehr einheitlich, beinhaltet aber als eine der größten Käferfamilien weltweit zwischen 25.000 und 40.000 Arten (Zitate bei THIELE 1977). Von den in Europa beheimateten rund 2700 Arten (TRAUTNER & GEIGENMÜLLER 1987) werden in Mitteleuropa etwa 730 Arten gefunden.

Die Carabidenfauna ackerbaulich genutzter Flächen weist ein typisches Artenspektrum auf. Nach TISCHLER (1965) ist die Mehrzahl der mitteleuropäischen Feldarten ursprünglich in Litoraea-Biotopen der westl. Ostseeküste beheimatet - mit einem deutlichen Gefälle von Nordwesten nach Südosten. THIELE (1977) nennt von den dominanten Arten an den Ufern des Rheins, welche ebenso häufig auf kultivierten Flächen dieser Region anzutreffen sind, zuerst Poecilus cupreus und Harpalus rufipes. Für obige These spricht, daß die Böden ackerbaulich wie auch litoral beeinflußter Biotope gravierenden und regelmäßig wiederkehrenden Veränderungen unterliegen. Außerdem ist in beiden Lebensräumen ein geringer Raumwiderstand am Boden vorhanden - an diese Verhältnisse sind Carabiden durch ihren Körperbau ausgezeichnet angepaßt.
Aus entgegengesetzter Richtung erfolgte die Einwanderung der thermo- bis xerothermophilen Arten der Steppen Südosteuropas (TISCHLER 1965, THIELE 1977).

Wegen unterschiedlichen mikroklimatischen Bedingungen, die sich beim Anbau der jeweiligen Feldfrucht am Boden einstellen, unterscheidet sich die Carabidenfauna der Hackfruchtfelder von der in Gertreidefeldern. Nach Untersuchungen u.a. von KIRCHNER (1960) und PAUER (1975) ist der Anteil frühjahrsbrütender Arten in Getreide um ein Vielfaches höher als in Hackfrucht. In Halmfrucht wärmt durchdringende Sonnenstrahlung den Boden tagsüber schneller auf, so daß hier thermophile Arten, die besonders unter den Frühlingstieren zu finden sind, günstige Lebens- und Entwicklungsbedingungen haben.
Der Anteil der Frühlingstiere ist in Feldern sandiger Böden wegen des trockenwarmen Mikroklimas ebenfalls höher, als im feuchtkühlen Mikroklima der Lehmböden, das Herbsttieren bessere Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

Ebenfalls großen Einfluß auf das Artenspektrum der Feldcarabiden hat die Vorfrucht (TISCHLER 1965, PAUER 1975, BASEDOW 1987), weil hierdurch die Populationsgröße der Elterngeneration beeinflußt wird.

Die Einteilung paläarktischer Carabiden in Frühlings- und Herbsttiere erfolgte nach ihrem jahreszeitlichen Entwicklungszyklus erstmalig durch LARSSON (1939).
Herbstbrütende Arten (Herbsttiere) pflanzen sich mit Beginn des Hochsommers bis zum Herbst fort und überwintern als Larven. Frühjahrsbrüter mit Herbstaktivität überwintern als Imagines und pflanzen sich erst nach der Überwinterung vom Frühjahr bis zum Frühsommer fort, wonach die meisten Tiere absterben. Die neue Generation erscheint im Spätsommer bis Herbst und entfaltet volle Aktivität. Von voriger Gruppe lassen sich die Frühjahrsbrüter ohne Herbst­aktivität unterscheiden (nach THIELE 1977).

Der Nutzen der Carabiden in der biologischen Schädlingsbekämpfung liegt einerseits in ihrem breiten Nahrungsspektrum als Carnivoren und andererseits darin begründet, daß sie in hohen Individuenzahlen die Felder bevölkern können (s. a. HEYDEMANN 1983) - in Getreidefeldern bis zu 70.000 Individuen pro ha (BASEDOW 1987). Sie sind somit in der Lage, die Massenvermehrung einiger potentieller Schädlinge von Feldkulturen schon in der Initialphase zu verhindern.

Carabiden sind überwiegend gefräßige Räuber. Nach THIELE (1977) fressen Carabus-Arten, ob adult oder larval, nahezu jedes Insekt, das ihnen vor die Mundwerkzeuge gerät. Obgleich epigäische Arthropoden, sind viele Carabiden in der Lage, Kulturpflanzen zu erklettern und Insekten dort nachzustellen. Carabus cancellatus, und C. granulatus erklettern nach SCHERNEY (1959) Kartoffelpflanzen. Platynus dorsalis, der ein bedeutender Vertilger von Getreideblattläusen ist, stellt seiner Beute selbst auf Getreidehalmen nach. Von Bembidion- und manchen Amara-Arten werden auch Insekteneier gefressen (THIELE 1977, TISCHLER 1965).

Viele Arten aus den Unterfamilien Zabrinae, Harpalinae und Pterostichinae, ernähren sich omnivor. Innerhalb dieser Gruppen sind auch phytophage Arten zu finden, wie z. B. der Getreidelaufkäfer Zabrus tenebrioides, dessen Larven an Getreidepflanzen schädlich werden können. Einige Amara-Arten fressen Gras- und "Unkraut"-Samen. Das breite Nahrungsspektrum ist wahrscheinlich der Grund für die Artenvielfalt innerhalb dieser Gruppen.

Der Anteil pflanzlicher Kost ist bei den omnivoren Arten saisonal oft sehr unterschiedlich. Selbst carnivore Arten nehmen während bestimmter Jahreszeiten einen beträchtlichen Anteil pflanzlicher Kost zu sich (TISCHLER 1965), in Fütterungsversuchen wird jedoch tierische Nahrung deutlich bevorzugt. Dies deutet somit eher auf die Fähigkeit der carnivoren Arten hin, bei Trockenheit und Nahrungsmangel auf pflanzliche Kost auszuweichen. Ackerunkräuter dürften dabei für die Deckung des Wasserbedarfs bevorzugt werden.

 

Acht der im Gebiet vorkommenden Carabidenarten konnten während des Untersuchungszeitraums in ausreichender Anzahl markiert und wiedergefangen werden. Über deren Biologie und Ökologie gibt Tabelle 4 Auskunft. Viele Arten aus der Gattung Amara wurden ebenfalls markiert, aber nur auf dem Gattungsniveau in die Auswertung einbezogen. Eine vollständige Artenliste aller im Untersuchungsgebiet gefangenen Carabiden befindet sich im Anhang (Tab. A 1) .

 

Tab. 4:  Angaben zu Habitatbindung, Ernährung, Anteil der Tagesaktivität an der Gesamtaktivität, Phänologie und Flugvermögen der markierten Arten.
ArtNischeNahrung Tages-aktivitätPhäno-logieFlugver-mögen
Poecilus versicolor (STURM) 1824
(Pterostichus coerulescens auct. nec LINNÉ)
eurytop, heliophil, praticol (Plutella-Larven, Aphiden, kl. Kartoffelkäferlarven) *3 >45% F ?
Poecilus cupreus (LINNÉ) 1758 eurytop, hygrophil, campicol April/Mai: pflanzl. Kost (65%),
Spinnen, Ameisen, Raupen, Zikaden
Juni - Okt.: Raupen, Blattläuse, Zikaden
>45% F + *4
Poecilus lepidus (LESKE) 1785 eurytop, xerophil Aphiden, Raupen, Ameisen, Spinnen "jagt auch am Tage" *2 H *1 ?
Harpalus rufipes (DE GEER) 1774
(Pseudophonus pubescens)
eurytop, xerophil, campicol Aphiden, Raupen, Ameisen, pfl. Kost (50%),
am Boden liegende Gerstenkörner *3
0-15% H +
+ *4
Harpalus aeneus (FABRICIUS) 1775
(H. affinis SCHRANK 1781)
eurytop, xerophil, heliophil, campicol überwiegend pfl. Kost, Aphiden 15-30% F + *4
+ *5
Carabus nemoralis (MÜLLER) eurytop, silvicol Raupen, Nacktschnecken, sonstige Insektenlarven 0-15% F -
Calathus fuscipes (GOEZE) 1777 eurytop, xerophil Aphiden, Raupen, Ameisen, Käferlarven, Wanzen 0-15% H ?
Pterostichus melanarius (ILLIGER) 1798
(P. vulgaris auct. nec LINNÉ)
eurytop, hygrohil Aphiden, Raupen, Ameisen,
pfl. Kost (10%)
0-15% H -

Abk.: F = Frühlingsbrüter, H = Herbstbrüter, + = Flugbeobachtungen liegen vor

Angaben zur Habitatbindung bei KOCH (1989).

Angaben zur Nahrung bei SKUHRAVY (1959) und TISCHLER (1965).

* = nach eigenen Fütterungsversuchen bzw. Beobachtungen

(Bei meinen Fütterungsversuchen im Labor wurden Plutella-Larven, Kartoffelkäferlarven und Aphiden nicht nur von carnivoren Carabiden gefressen. Auch Käfer der Gattung Amara, die als phytophag gelten, verzehrten diese Kost.)

Angaben zur diurnalen Aktivität und Phänologie bei THIELE (1977):
Nach Thiele (1977) streuen die Aktivitätszeiten im diurnalen Rythmus bei den zahlreichen Feldstudien weit. Selbst innerhalb einer Population können tag- und nachtaktive Individuen nebeneinander vorkommen. Die Angaben sind daher nur als Durchschnittswerte zu verstehen.

*1 = Angabe bei TISCHLER (1965)
*2 = Angabe bei BURMEISTER (1939)

Angaben zur Flugfähigkeit bei BASEDOW (1987) und BASEDOW / DICKLER (1981), KOCH (1989), sowie nach eigenen Beobachtungen (*4) und TISCHLER (1965) (*5)

 

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