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Straßen und Wege gelten als Ausbreitungshindernis für epigäische Arthropoden. Hierbei wird der linienscharfe Mikroklimasprung im Übergangsbereich zum Feldweg als wichtigster Begrenzungsfaktor gedeutet. Der Ausbaustandard eines Wirtschaftsweges kann dabei eine wesentliche, modifizierende Rolle spielen.
Im Raum Darmstadt wurde an einem Feldweg, der in fünf verschiedenen, linear hintereinander angeordneten Ausbaustufen vorliegt, eine Untersuchung zur Barrierewirkung von Wirtschaftswegen auf Carabiden durchgeführt. Die Ausbautypen waren: 1. Asphalt, 2. Drainbeton, 3. Rasenstein, 4. Verbundpflaster und 5. Schotterweg. Untersucht wurden die Arten Carabus nemoralis, Pterostichus melanarius, Calathus fuscipes, Poecilus versicolor, P. cupreus, P. lepidus, Harpalus aeneus, H. rufipes sowie als Gruppe die Gattung Amara.
Zwei verschiedene Untersuchungsmethoden kamen zur Anwendung:
Die Markierungs-Wiederfang-Methode wurde bei stufenweiser Optimierung sowohl der Fangeffektivität der Fallen als auch der Markierungsmethode selbst angewendet. Die markierten Carabiden wurden ausschließlich im Wegrain einer Seite freigesetzt. An jedem Wegabschnitt wurden beiderseits vier Lebendfallen eingerichtet. Alle Fallen waren zum Weg hin geöffnet. Die Fallen gegenüber der Freilassungs-Seite wurden in das Bankett eingegraben und direkt an den Weg herangebaut (Bankettseite = Seite b). Die Fallen der Ackerseite wurden in die Ackerfläche hinein verlegt (= Seite a). Der Fallenaufbau war symmetrisch, die Fallen waren zur Rückseite abgeschirmt. Über das Verhältnis der Wiederfänge zu beiden Seiten des Weges (Seite b / Seite a) bzw. die Überquerungsrate (Seite b / (Seite a + Seite b)) wurde auf die Trennwirkung des jeweiligen Feldwegabschnitts geschlossen. Direkte Beobachtungen sollten das Verhalten der Carabiden an den Fallen aufklären.
Über den gesamten Untersuchungszeitraum wurden vor Ort Wetterdaten aufgezeichnet.
Unterschiede in der Ausbreitung bei tag- und nachtaktiven Arten sollten durch Beobachtungen von auf dem Weg freigesetzten Carabiden erfaßt werden. Hierzu wurden die Laufstrecken der Versuchstiere aufgezeichnet. Zur Verfolgung der Käfer während der Nacht diente eine fluorezierende Substanz, die auf die Flügeldeckenspitzen aufgetragen wurde.
Für die Markierung bei der Fang-Wiederfang-Methode erwiesen sich Farbpunkte mit Lackstiften als ungeeignet. Dauerhaft erkennbar blieben mit einem regelbaren Elektro-Lötkolben mit feiner Lötspitze in die Elytren eingeschmolzene Punkte, ohne daß die Versuchstiere geschädigt wurden. Es wurden insgesamt 3064 Individuen mit Farbe und 5374 mit einem Schmelzpunkt markiert und freigelassen.
Ergebnisse
Markierungs-Wiederfang-Methode:
Insgesamt unterschieden sich im Fang-Wiederfang-Experiment die fünf Wegevarianten nicht. Die Verteilung der Wiederfänge auf die Fallen beiderseits des Weges streute bei den einzelnen Leerungsterminen erheblich.
Bei Betrachtung aller an den fünf Wegabschnitten wiedergefangenen Carabiden (Summe = 887 Wiederfänge) wurden in den Fallen zu beiden Seiten des Weges annähernd gleichviele Laufkäfer wiedergefangen (Verhältnis von Überquerer zu Nicht-Überquerer = 436/451).
Zwei aufeinanderfolgende Wiederfangzeiträume im Hochsommer 1992 unterschieden sich deutlich durch die jeweiligen
Witterungsbedingungen.
Zwischen der Freilassung vom 06.07. und der Leerung vom 10.07. war es insgesamt feucht-warm. Die Woche davor war
trocken und warm gewesen. Von 183 Wiederfängen überquerten innerhalb dieser vier Tage 119 Carabiden den Feldweg
(Überquerungsrate = 0,65).
Zwischen der Freilassung vom 29.07. und der Leerung vom 01.08. war es dagegen sehr warm und trocken. Nur am 31.07.
setzte nachmittags leichter Regen ein. Die trocken-warme Großwetterlage mit Tageshöchsttemperaturen um 30° hielt
schon seit dem 18.07. an. Zwischen dem 29.07. und 01.08. überquerten von insgesamt 180 Wiederfängen nur 53 Carabiden
den Feldweg (Überquerungsrate = 0,29).
Hier wird deutlich, daß eine Trennwirkung des Feldweges erst bei anhaltender Trockenheit und hohen Tagestemperaturen
gegeben ist.
Laufstreckenanalyse:
Das Bild der aufgezeichneten Laufstrecken von Carabiden, die auf dem Weg in Randnähe freigesetzt wurden,
unterschied sich bei den Wegevarianten zum Teil deutlich. Die Laufkäfer liefen an den Wegabschnitten mit geringer
Oberflächenstruktur (Asphalt, Drainbeton und Verbundpflaster) meistens direkt zum nahe gelegenen Wegrand. Je
strukturloser die Wegoberfläche, desto schneller wurde sie wieder verlassen. Stark befestigte (z.B. Asphalt)
und weniger stark befestigte Wegabschnitte (z.B. Schotterauflage mit grünem Mittelstreifen) wurden gleichermaßen
überquert.
Bei starker Insolation überquerte der tagaktive Poecilus versicolor besonders die Wegabschnitte mit geringer
Oberflächenstruktur meistens rechtwinklig zur Wegrichtung. Bei milderen Temperaturen überquerte er diese genauso
häufig auch diagonal.
Das Verhalten der Carabiden nach dem Freisetzen wurde aber stark von einer Verberge-Orientierung bestimmt. Weil dieser Verhaltensmechanismus jedoch durch die Freisetzung ausgelöst wurde und im Gegensatz zur Markierungs-Wiederfang-Methode das Ergebnis entscheidend beeinflußte, kann eine Trennwirkung der einzelnen Wegabschnitte hieraus nicht zwingend abgeleitet werden (vergl. MADER et al. 1988).
Die Erstfänge (nicht Wiederfänge) der untersuchten Arten zwischen dem 15. Juni und 15. September (Summe = 10.709 Carabiden) stammten vorwiegend aus den Fallen der Bankettseite (6.635 von 10.709 Carabiden). Hier waren die zum Wegrain abgeschirmten Fallen direkt an den Feldweg herangebaut worden. Die meisten der in den Bankettfallen gefangenen Carabiden müssen daher zuvor den Feldweg überquert haben. Die Verteilung der Erstfänge bestätigt damit das Ergebnis der Wiederfänge.
Für alle untersuchten Arten muß die Arbeitshypothese (s. Einleitung) verworfen werden: Für sie ist der Feldweg
kein Ausbreitungshindernis.
Da jedoch ausschließlich eurytope und zudem überwiegend thermo- bis xero-thermophile Arten untersucht wurden,
darf diese Aussage nicht auf hygrophile, besonders aber nicht auf stenohygre Arten übertragen werden.
Inwieweit Feldwege solche Carabidenarten und andere Bodenarthropoden (v.a. Spinnen, Collembolen, Staphyliniden)
in ihrem Dispersionsverhalten behindern, muß derzeit noch offen bleiben.
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